Stellungnahme der Kreis- und Stadtelternvertretung Lübeck zur neuen Entgeltsatzung und Entgeltordnung der Hansestadt Lübeck für städtische Kindertagesstätten sowie der Reduzierung von Betreuungszeiten durch Randzeitenreduzierung

Pressemitteilung zu Kostenerhöhung und Betreuungszeitreduzierung

Die Kreis- und Stadtelternvertretung Lübeck lehnt die geplanten Neufassungen der Entgeltsatzung und Entgeltordnung für die städtischen Kindertageseinrichtungen ab.

Obwohl im Beteiligungsverfahren ursprünglich eine sozial gerechtere Entlastung von Familien angekündigt wurde, sehen wir in der nun vorliegenden Satzung eine deutliche Mehrbelastung für viele Eltern sowie erhebliche Schwächen in der sozialen Ausgestaltung und Transparenz.

Im Folgenden nehmen wir zu den zentralen Kritikpunkten Stellung:

1. Intransparente Kalkulation und Ungleichbehandlung bei den Verpflegungskosten

Die einheitliche Festlegung der Verpflegungskosten über alle Einrichtungen hinweg wird den sehr unterschiedlichen Strukturen, Angeboten und personellen Ressourcen der einzelnen Kitas nicht gerecht. Eine trennscharfe, einrichtungsbezogene Abrechnung ist erforderlich, um eine nicht hinnehmbare Quersubventionierung – insbesondere von kleineren zu größeren Einrichtungen – zu vermeiden. Über Jahre hinweg wurde z. B. Frühstück nur in großen Einrichtungen regelmäßig angeboten und mit Personal hinterlegt, aber von allen Eltern in städtischen Einrichtungen mitfinanziert. Das ist weder gerecht noch transparent. Zudem ist es durch das KitaG Schleswig-Holstein vorgegeben, dass Personalkosten nicht pauschalisiert über alle Einrichtungen eines Trägers abzurechnen sind, sondern für jede Kita einzeln vorzunehmen sind.

2. Erhebliche Erhöhung der Verpflegungskosten ohne steuerliche Absetzbarkeit oder Geschwisterermäßigung

Die Erhöhung der monatlichen Verpflegungskosten auf 116 € stellt eine erhebliche Zusatzbelastung für die Lübecker Familien dar. Besonders kritisch sehen wir, dass diese Erhöhung zusätzlich zur Abschaffung der bisherigen Subventionierung bei gleichzeitiger Reduzierung der Randzeitenbetreuung erfolgt – d. h. Eltern zahlen nicht nur mehr, sie verlieren auch die Möglichkeit, diese Ausgaben steuerlich geltend zu machen und profitieren auch nicht von einer Geschwisterermäßigung, die es für Betreuungs- aber nicht für Verpflegungskosten gibt. Die angestrebte Entlastung durch einen Beitragsdeckel wird so faktisch neutralisiert oder sogar überkompensiert.

3. Reduzierung der Betreuungszeiten – faktische Mehrkosten und mangelnde Planbarkeit

Die geplante Streichung von 30 Minuten Betreuungszeit freitags (Abholung künftig 13:30 statt 14:00 Uhr) stellt eine klare Leistungskürzung dar. Eltern werden dadurch gezwungen, zusätzliche Stunden zu buchen – häufig mehr, als tatsächlich benötigt. Besonders kritisch ist, dass viele kleinere Einrichtungen gar keine Randzeitenbetreuung von 07:00 bis 17:00 Uhr anbieten können, sondern die Kinder nur in den Kernzeiten von 07.30-16.00 betreut werden und nur am Freitag eine Randzeit von zukünftig 13:30 – 16:00 gebucht werden kann. Eltern zahlen also pauschal 25 Euro monatlich für Leistungen, die sie nicht nutzen können, was zu einer weiteren Ungleichbehandlung der Familien führt, obwohl ihre Kinder alle vom städtischen Träger betreut werden. Zusätzlich stehen in vielen Einrichtungen nicht ausreichend Randzeitenplätze für alle Kinder zur Verfügung.  So stehen zum Beispiel in der Kita Glockengießerstraße für 45 dort betreute Kinder nur 15 Randzeitenplätze zur Verfügung. Dies bedeutet, dass Eltern wegen mangelnder Betreuung ihres Kindes zukünftig ihre Arbeitszeit reduzieren müssen. Welche Kriterien für die Platzvergabe angewandt werden, bleibt unklar. Weiterhin ist unklar, ob Kinder mit erhöhtem Betreuungsbedarf zukünftig in den Randzeiten betreut werden können, da für die Betreuung dieser Kinder normalerweise die Gruppengröße reduziert wird oder mehr Fachkräfte zur Verfügung gestellt werden, zum Beispiel im Rahmen einer 1:1 – Betreuung.

4. Qualitätsverlust insbesondere im Krippenbereich

Die Reduzierung der Randzeiten hat direkte Auswirkungen auf die Betreuungsqualität, insbesondere für die jüngsten Kinder: So muss bei einer Abholung um 13.30 Uhr der Mittagsschlaf verkürzt werden, was dem Entwicklungs- und Ruhebedürfnis von Krippenkindern widerspricht.

5. Verschärfung sozialer Ungleichheit und mangelnde Familienfreundlichkeit

Alleinerziehende, Mehrkindfamilien und Familien von Kindern mit Behinderungen sind von den Änderungen besonders betroffen. Die Kostensteigerung von 48,75 € für ein betreutes Kind pro Monat (bei einer Betreuung Montag -Donnerstag 07.30 bis 16.00 Uhr und Freitag 07.30 bis 14.00 Uhr)konterkariert die versprochene Entlastung und die Vereinbarkeit von Familie und Beruf.


6. Verfahren und Entscheidungsfindung: mangelnde Transparenz

Die Entgeltsatzung wurde den Mitgliedern des Jugendhilfeausschusses nur 2,5 Tage vor der Beschlussfassung vorgelegt. Eine fundierte Prüfung und Diskussion der endgültigen Fassung der neuen Satzung war unter diesen Umständen nicht möglich – viele Fragen blieben ungeklärt. Das widerspricht dem Grundgedanken eines echten Beteiligungsverfahrens und gefährdet die Akzeptanz der neuen Regelung.


7. Fehlgeleitete Mittelverwendung

Durch die Umwidmung der bisherigen Verpflegungssubvention erhält die Hansestadt Lübeck zusätzliche Bundesmittel in Höhe von 1,3 Mio. €. Diese Mittel sollten – entsprechend ihrer Zweckbindung nach dem Sozialgesetzbuch – zur spürbaren Entlastung der Familien beitragen. Stattdessen fließen sie in den allgemeinen Haushalt der Stadt, während Eltern kaum profitieren oder sogar mehr zahlen müssen. Das widerspricht nicht nur der Intention des Gesetzgebers, sondern auch den Erwartungen der Kreis- und Stadtelternvertretung Lübeck an eine familienfreundliche Kommunalpolitik.


8. Verpflegungsbeiträge: keine Geschwisterermäßigung, keine Vergleichbarkeit

Die Praxis, keine Geschwisterermäßigung bei Verpflegungskosten zu gewähren, benachteiligt insbesondere kinderreiche Familien. Zudem unterscheidet sich das tatsächliche Verpflegungsangebot (es wird nicht in allen Einrichtungen täglich das Frühstück gestellt) bisher stark zwischen den Einrichtungen der Stadt – die Kosten hingegen sind gleich. Eine Familie kann sich ihre Kita faktisch nicht aussuchen und wird somit zur Zahlung eines Pauschalbetrags verpflichtet, der in vielen Fällen nicht dem tatsächlichen Leistungsumfang entspricht. Dies ist sozial ungerecht.


9. Ermäßigungen in besonderen Lebenslagen: ersatzlos gestrichen

Während im Beteiligungsverfahren noch ein Modell zur Unterstützung in besonderen Lebenslagen – etwa Alleinerziehende oder Familien von Kindern mit Behinderung - in Aussicht gestellt wurde, wurde dieser Punkt inzwischen ersatzlos gestrichen. Die vorgeschlagenen Verfahren waren ohnehin verwaltungsaufwendig, unklar und wenig wirksam. Wir fordern daher ein vereinfachtes, transparentes System, das die tatsächlichen Mehrkosten solcher Lebenslagen berücksichtigt – inklusive eines vollständigen Beitragserlasses für Kinder mit Pflegegrad und Pflegekinder.

10. Nichterstattung des Betreuungsausfalls

Bisher wurde Eltern, für die die Betreuung ihrer Kinder zum Beispiel durch Personalmangel ausfiel, die Kosten der Betreuung erstattet, sofern der zu erstattende Betrag insgesamt über 2 Euro lag. Zukünftig soll eine Rückerstattung erst dann erfolgen, wenn der zu erstattende Betrag wöchentlich über 2 Euro beträgt. Dies bedeutet, dass Eltern, die über mehrere Wochen hintereinander einen Ausfall der Betreuung von  einem Gegenwert unter 2 Euro/pro Woche hatten, diese Kosten nicht erstattet bekommen würden, auch wenn diese in Summe zum Beispiel 20 Euro betragen. Dies ist nicht hinzunehmen.

11. Fazit und Forderungen

Die neue Entgeltsatzung und die dazugehörige Entgeltordnung führen nicht – wie ursprünglich beabsichtigt und versprochen – zu einer spürbaren und gerechten Entlastung, sondern belasten viele Lübecker Familien zusätzlich. Sie verschärfen bestehende Ungleichheiten und erschweren die Vereinbarkeit von Familie und Beruf.

Wir fordern daher:

  • Die vollständige Verwendung der zusätzlichen 1,3 Mio. € zur Senkung des Beitragsdeckels auf unter 4,60 € pro Wochenstunde.
  • Eine faire und transparente Geschwisterermäßigung auch bei den Verpflegungskosten.
  • Die Beitragsbefreiung für Kinder mit Pflegegrad und Pflegekinder.
  • Ein vereinfachtes Antragsverfahren für Ermäßigungen, z. B. digital mit Onlinerechner oder im persönlichen Gespräch mit der Einrichtung.
  • Keine Reduzierung der Betreuungszeiten bzw. Randzeiten durch die Träger.
  • Einheitliche, transparente Standards für die Verpflegungsangebote in allen städtischen Kitas sowie vergleichbare Leistungen sowohl bei Personal- als auch Sachkosten.
  • Rückerstattung der Betreuungsbeiträge bei nicht erbrachter Leistung durch den Träger

Die Kreis- und Stadtelternvertretung Lübeck steht für eine gerechte, transparente und sozial ausgewogene Finanzierung der frühkindlichen Bildung – und fordert die Hansestadt Lübeck auf, die aktuelle Entgeltsatzung in diesem Sinne zu überarbeiten.

Anlagen: 

  • Pressemitteilung zum Thema
  • Diese Stellungnahme als pdf
  • Brief an die Elternvertretungen der Kitas mit städtischem Träger
  • Vorlage Antwortschreiben Elternvertretung an Kitas
Eure Kreiseltern- vertretung für:
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